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Politik und Wirtschaft oder Celebrities und Virales - hier findet sich für jeden etwas!

Der Fall Larry Nassar

Sexueller Missbrauch ist seit 2017 kein Thema mehr, über das geschwiegen wird. Durch Aktionen wie #metoo oder #timesup soll gerade dieses Schweigen gebrochen werden, um mehr Gerechtigkeit und auch eine Art Ausgleich zwischen den zwei Geschlechtern zu schaffen. Im Herbst 2017 wurde bereits die Harvey Weinstein Affaire bekannt, gegen den sich nach und nach immer mehr Frauen aussprachen. Doch Weinstein war nicht der erste große Fall sexuellen Missbrauchs.

Bereits im September 2016 tauchten Anschuldigungen gegen den damaligen Teamarzt der nationalen Gymnastikgruppe der USA Larry Nassar auf. Über 100 Frauen beschuldigten ihn seitdem wegen Missbrauchs, den er in Form einer ärztlichen Behandlung verpackt haben soll. Die meisten Anklagen gegen den Amerikaner kamen seitens jüngerer Gymnastinnen, junge Erwachsene. Dazu kommt, dass sich der Nassar-Fall im Nachhinein mehr und mehr ausweitete. Er war in 20 Jahren an verschiedensten Stellen als Teamarzt angestellt. Aus vier dieser Stellen kamen mindestens eine Anklage. Doch wie fing seine Karriere an?

1985 schließt Nassar mit dem Bachelor die Universität Michigans ab, in der er auch als Arzt des Football Teams tätig war. Nur ein Jahr später fängt er bei USA Gymnastics als Trainer für Athletik an, während er mit dem hoch angesehenen Gymnastik-Club Twistars in Lansing arbeitet. Nachdem Nassar 1993 zum ersten von sechs Malen den Preis des Elite Coaches für Frauen-Gymnastik als ersteer Nicht-Coach gewinnt, geht er drei Jahre später erstmals mit zu den olympischen Spielen und ist dort als Arzt der USAG tätig. Ein Jahr später die erste offizielle Anklage gegen den Arzt.

1997 rufen die Eltern einer Gymnastin den Chef von Twistar an um sich über die "medizinischen Untersuchungsmethoden" Nassars zu beschweren. Zwei Jahre später erkundigt sich eine Soft Ball Spielerin bei ihrem Athletik-Trainer zu diesen selben Methoden, die Nassar anwende. Ihr Trainer antwortet seiner Schülerin, dass Nassar seiner Arbeit so nachgehe, wie es erlaubt sei. Trotzdem kommt ein paar Monate noch im selben Jahr ein weiteres Stutzen einer Athletin, die erneut dieselben Methoden anklagt und der erneut dieselbe Antwort gegeben wird. Tiffany Thomas Lopez, das Mädchen, das sich bereits 1999 gegen Nassar einem Trainer gegenüber aussprach, beschuldigt den Arzt zu Anfang des neuen Jahrtausends erneut bei zwei Trainern, die der altbekannten Aussage jedoch treu bleiben und erwidern, dass sie die Standard-Behandlung erhielte und dies keineswegs unangemessen sei, wie sie es behaupte.

2004 ist das Thema immer noch nicht abgeschlossen. Insgesamt drei Jugendliche inklusive einer 12 (!) Jährigen sprechen sich gegen den Arzt aus. Diese Anklagen hindern ihn trotzdem nicht daran, 2012 den "Alumnus of the Year Awards" für die besten ostöopathisch medizinischen Methoden zu erhalten.

2014 dann endlich die erste offiziell bekannt gemachte Aussprache gegen Nassar. Eine junge Frau spricht sich in einem Polizeibericht gegen die medizinische Arbeitsweise des Mannes aus, dem die örtlichen Behörden soweit auf den Grund gehen, dass diese Methoden noch im selben Jahr als medizinisch unangebracht verurteilt werden. Ein Jahr später die Nachricht Nassars auf Facebook, in der er kundgibt USA Gymnastics zu verlassen um sich für einen Wettbewerb vorzubereiten.

Angekommen im September 2016 werden die Anklagen auch außerhalb Michigans bekannt gemacht. Durch weitere Beschuldigungen, die von Indianapolis Star veröffentlicht wurden, wird Nassar von MSU gefeuert. Im November tritt Nassar einer ersten wirksamen Anklage gegenüber. Der Attorney General, einem Mitglied des Kabinetts der Vereinigten Staaten, bezeichnet die Anklagen gegen sexuellen Missbrauch als "die Spitze des Eisbergs". Wie sich einen Monat später zeigt, lag sie nicht falsch. Im Dezember werden auf Nassars Computer Videos mit Kinderpornographie gefunden.

Letzterer Befund handelte Nassar bereits im Dezember 60 jahre Haft ein. Diese Verschuldung wird nun allerdings zu der geforderten Strafe für den sexuellen Missbrauch hinzugerechnet, diese soll 40 bis 125 Jahre betragen. Mehr als 140 Anklagen sind über diese 20 Jahre auf den ehemaligen Arzt eingeprasselt - und es ist noch nicht vorbei. Ein neuer Vorwurf der Gymnastin McKayla Maroney behauptet ihr sei Schweigegeld gezahlt worden, um den Arzt nicht zu verraten. Dies würde unterstrichen von den Antworten, die sich stutzende Gymnastinnen von ihren Trainern anhören mussten. USA Gymnastics antwortete daraufhin mit einer eher schwammigen Antwort indem sie behaupteten man habe "die Angelegenheit so vertraulich behandelt, um die Untersuchung nicht zu beeinflussen". Die Generalanwältin Angela Povilaitis sieht das alles als Schwachsinn an und schreibt, der 54-Jährige habe "unwissende Opfer Jahrzehnte lang an jeder Ecke und bei jeder Gelegenheit gejagt".

Jetzt nahm der Fall einen erneuten Anlauf. Die US-Olympiasiegerin Simone Biles sagte, auch sie sei ein Opfer des ehemaligen Teamarztes und seines sexuellen Missbrauchs. Sie schrieb, dass sie sich nicht mehr schuldig fühle. Lange habe sie sich gefragt, ob es ihre Schuld war, dass dieser Übergriff geschehen konnte aber heute wisse sie, dass es nicht ihr Fehler war. Es breche ihr das Herz in Hinsicht auf Tokio 2020 jeden Tag an dieselbe Trainigsstätte, in der sie missbraucht wurde, zurück kehren zu müssen aber sie wolle sich nicht die Liebe und Freude nehmen lassen von einem Mann, dessen Geschichte keineswegs größer werden solle als ihre. Biles bezeichnet sich als eine der Überlebenden, die heute von den schrecklichen Ereignissen in der Turneinrichtung berichten könne.

Mit diesen Worten macht sie vielen Frauen Mut, sich auch in Zukunft gegen sexuellen Missbrauch asuzusprechen und sich zu wehren.

Auch der Verband steht in der Schuld. Wie es Maroney bereits anklagte, habe man ihr bei USA Gymnastics Schweigegeld gezahlt, um Nassars Übergriffe ihm Schatten der Öffentlichkeit zu halten. Der Verband habe ihr insgesamt 1,25 Millionen $ ausgezahlt, umgerechnet ca. 1 Millionen €, um nichts zu verraten. Maroney sei damals traumatisiert gewesen und habe Geld für ihre psychologische Behandlung gebraucht. Die Abmachung mit dem Turnverband sei unmoralisch und ein illegaler Versuch, ein Opfer des Kindermissbrauchs zum Schweigen zu bringen.

Nassar äußerte sich auch zum Vorfall und zu den Äußerungen gegen ihn. Seiner Aussage nach täte es ihm heute "furchtbar leid". Weiter kamen von Nassar keine Entschuldigungen oder ähnliches, trotzdem sieht man auf den Bildern aus dem Gericht, dass der Aussage des ehemaligen Arztes immerhin ein Funken Ehrlichkeit zuzusprechen sein könnte.

Auf ein endgültiges Urteil wird noch gewartet, es ist allerdings zu erwarten, dass es diese Woche verkündet wird.

 

 

 

Wenn das Urteil bekannt ist, kommt natürlich ein weiterer Artikel dazu ;)

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